28.7.17

Flammendes Inferno - 24.Pilgertag

Auf dem Jakobsweg Nürnberg - Ulm

von Oettingen nach Nördlingen 26,9km

Fünfhundert Weißbrotbrötchen versperren mir die Sicht im barocken Frühstückssaal des Hotels zur "Goldenen Gans" in Oettingen. "Ich bringe ihnen Vollkornbrot", die Wirtin blickt verstohlen auf die Uhr. "Ich habe verschlafen, stöhne ich kleinlaut." "Das habe ich gemerkt", sie wendet sich geübt und im Bewusstsein Wirkung zu hinterlassen, ihre Jeans sind etwas aus der Mode, sitzen aber gut, denke ich, als sie den Saal verläßt und im gehen, wie nebenbei Teller von den Nachbartischen räumt. Wie alt wird sie sein? 


Oettingen, Bayern, Hotel Zur Goldenen Gans


"Sie sind Schauspieler?", fragt sie und stellt, zurückgekommen vier Scheiben Vollkornbrot in einem kleinen Bastkorb auf den Tisch. "Ja," antworte ich. "Nach dem Essen werde ich ihnen etwas zeigen, sie werden staunen." 


Ich stopfe mir zwei Äpfel in die Tasche und schmiere mir Brote für unterwegs, verstaue sie dann sorgfältig und heimlich in meiner Tasche. Das ist zwar nicht erwünscht, aber hilft wirtschaften. Dann laufen wir über den Hof des Hotels. Die Morgensonne scheint vielversprechend. "Hier war früher das Kino." Sie öffnet eine Holztür, die vom Hof aus in eine Art Foyer führt. Wir gehen hinen. Es ist dunkel. Schemenhaft teilen sich die Umrisse einer vergangenen Zeit mit. Alte Filmplakate: "Flammendes Inferno", "Fame" und dann sehe ich eine kleine Kasse hinter dünnem Glas in der Mitte des Raumes. 

"Das Kino hat sich irgendwann nichtmehr rentiert. Über meherere Generationen wurde es geführt. Der Vater meines Vaters hat es gebaut. Die Hotelgäste sind früher nach dem Abensbrot vorne in der Wirtschaft noch ins Kino gegangen. Bis spät in die Nacht liefen die Filme. Kein Sex oder so, verstehen sie mich richtig, das waren vor allem Filme zum lachen. Mit Bud Spencer zum Beispiel. Die neue Zeit hat das Kino einschlafen lassen. Hier auf dem Hof vor dem Kino habe ich meine Kindheit verbracht. Die Stimmen der Schauspieler aus dem Kinosaal haben mich in den Schlaf getragen. Schön das sie auch Schauspieler sind." 

"Ich spiele Theater." Fast entschuldigend zucke ich mit den Schultern. An der Wand des Kinos zeichnet sich ein Bild. Die "Zweite Haut" denke ich. Ein junges Mädchen zeichnet sich auf dem Putz. Später werde ich es fotografieren denke ich und verabschiede mich. So viel an einem Ort. So traurig und so schön war die Geschichte von dem Kino im Hotel: Zur Golden Gans" in Oettingen, das es nicht mehr gibt.





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