25.11.17

Über die Geduld - 34.Pilgertag

Auf dem Oberschwäbischen Jakobsweg Ulm - Konstanz

von Ravensburg nach Brochenzell 17,6km



Man muss den Dingen
die eigene Stille,
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt,
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen -
und dann gebärden.

Reifen wie der Baum, 

der seine Säfte nicht drängt 
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, 
ohne Angst, 
dass dahinter kein Sommer 
kommen könnte. 

Er kommt doch! 

Aber er kommt nur zu den Geduldigen, 
die da sind, als ob die Ewigkeit 
vor ihnen läge, 
so sorglos, still und weit... 

Man muss Geduld haben 

Mit dem Ungelösten im Herzen, 
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, 
wie verschlossene Stuben, 
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache 
geschrieben sind. 

Es handelt sich darum, alles zu leben. 
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, 
ohne es zu merken, 
eines fremden Tages 
in die Antworten hinein.

(Rainer Maria Rilke)

Ravensburg, Blick aus dem Fenster

Christine Hoppe schreibt, per WhatsApp. "Danke für deine Pemierengrüße gestern. Schade, ich werde nicht die Elisabeth in der Stuart spielen können."


Ich rufe sie an. Schon beim wählen kann ich ein Würgen im Hals nicht vermeiden. Du wärst es gewesen, Christine. Wer wenn nicht du, die Elisabeth, mit mir, der den Grafen von Leicester spielen wird. Scheiße.

"Es ist die Reißleine", sagt sie, "ich kann nicht mehr." Wir unterhalten uns. "Und wie geht es dir?" fragt sie. "Du pilgerst wieder? Das ist schön. Was du so alles machst. Immer machst du so Sachen. So merkwürdige. Ich weine mit dem Hörer in der Hand auf dem Bett sitzend und bin dankbar, dass sie nichts sagt. Wir haben schon so viel gespielt und gelebt und gelebt und gespielt, aber das Leben ist doch immer eine Nummer zu groß für das Spiel.

"Eine Mutter zu verlieren, muß man vielleicht auch lernen", sagt sie, "so, wie man einen Text lernt. Jeden Tag ein Kapitel mehr, ein paar Worte dazu.